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am Tage ihrer Heirat; eine Börse hatte sie nie bei sich, ihre Mut-
ter kaufte und gab ihr alles nach Wunsch, so daß sie, um einem
Armen ein Almosen zu geben, in ihrer Mutter Taschen faßte.
»Sie kostet euch nicht viel,« sagte dann der Hutmacher.
»Ja, das glaubt Ihr!« antwortete Sauviat, »mit vierzig Talern für
sie würdet Ihr noch nicht auskommen jährlich. Und ihr Zimmer.
Sie hat bei sich für mehr als hundert Taler Möbel; doch wenn
man nur eine Tochter hat, läßt man sich gehen. Kurz, das wenige,
das wir besitzen, wird alles ihr gehören.«
»Das wenige? Ihr dürftet reich sein, Vater Sauviat! Seit vierzig
Jahren betreibt Ihr einen Handel, wobei Ihr keine Verluste habt.«
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»Ach, man würde mir für zwölfhundert Franken nicht die Ohren
abschneiden,« antwortete der alte Alteisenhändler. Von dem Tage
an, wo Véronique die sanfte Schönheit verloren, die ihr kleines
Mädchengesicht der öffentlichen Bewunderung anempfahl, ver-
doppelte Vater Sauviat seine Tätigkeit. Sein Handel wurde um so
viel lebhafter, daß er von nun an mehrere Reisen nach Paris im
Jahre unternahm. Jeder erriet, daß er, was er in seiner Sprache die
Defekte seiner Tochter nannte, mit Geld aufwiegen wollte. Als
Véronique fünfzehn Jahre alt war, trat ein Wechsel in den inneren
Gewohnheiten des Hauses ein. Vater und Mutter gingen abends
zu ihrer Tochter hinauf, die ihnen den Abend über beim Scheine
einer Lampe, die man hinter eine Glaskugel voll Wasser gestellt
hatte, das »Leben der Heiligen«, die »erbaulichen Briefe«, kurz
alle vom Vikar geliehenen Bücher vorlas. Die alte Sauviat strick-
te und rechnete aus, daß sie damit den Preis des Oeles verdienen
würde. Von sich aus konnten die Nachbarn die beiden alten Leute
unbeweglich in ihren Sesseln wie zwei chinesische Figuren sitzen
sehen, wie sie lauschten und ihre Tochter mit allen Kräften einer
für alles, was nicht Handel oder Glaube war, stumpfen Intelligenz
bewunderten. Zweifelsohne begegnet man auf der Welt jungen
Mädchen, die ebenso rein sind, wie es Véronique war, keines
aber war weder reiner noch bescheidener. Ihre Beichte mußte die
Engel mit Bewunderung erfüllen und der heiligen Jungfrau Freu-
de machen. Mit sechzehn Jahren war sie voll entwickelt und zeig-
te sich, wie sie werden mußte. Sie besaß eine mittlere Figur,
weder ihr Vater noch ihre Mutter waren groß; ihre Formen aber
empfahlen sich durch eine anmutige Biegsamkeit, durch jene so
glücklichen, von Malern so eifrigst gesuchten geschwungenen
Linien, welche die Natur von selber so fein zieht, und deren volle
und weiche Umrisse sich den Kenneraugen offenbaren trotz der
Wäsche und der dicken Kleidungsstücke, die sich stets, was man
auch tut, den nackten Körper zum Muster nehmen und sich ihm
anpassen. Wahrhaft, einfach und natürlich hob Véronique diese
Schönheit durch Bewegungen ohne jegliche Ziererei hervor. Sie
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erhielt ihre volle Gültigkeit, wenn es erlaubt ist, diesen energi-
schen Ausdruck der Juristensprache zu entlehnen. Sie hatte die
fleischigen Arme der Auvergnater, die rote und rundliche Hand
einer schönen Schenkenmagd, kräftige aber regelmäßige Füße,
die mit ihren Formen in Einklang standen. Es zeigte sich an ihr
eine entzückende und wunderbare Erscheinung, die der Liebe
eine für alle Augen verborgene Frau versprach. Diese Erschei-
nung war vielleicht eine der Ursachen der Bewunderung, die ihr
Vater und ihre Mutter ihrer Schönheit zollten, von der sie zum
größten Erstaunen ihrer Nachbarn erklärten, daß sie göttlich sei.
Die ersten, die diese Tatsache bemerkten, waren die Priester der
Kathedrale und die Gläubigen, die an den heiligen Tisch traten.
Wenn bei Véronique ein heftiges Gefühl zum Ausdruck kam,
und die religiöse Begeisterung, der sie ausgeliefert war, wenn sie
sich zur Kommunion einstellte, muß man zu den lebhaften Bewe-
gungen eines so reinen jungen Mädchens rechnen , schien es, als
ob ein inneres Licht die Blatternnarben durch seine Strahlen zu-
nichte mache. Das reine und strahlende Antlitz ihrer Kindheit
erschien in seiner anfänglichen Schönheit wieder. Obwohl leicht
verschleiert durch die grobe Schicht, welche die Krankheit dort
verbreitet hatte, glänzte sie, wie eine Blume geheimnisvoll unter
dem Wasser des Meeres glänzt, das die Sonne durchdringt. Véro-
nique war für einige Augenblicke verwandelt: die kleine Jungfrau
erschien und verschwand wie eine himmlische Erscheinung. Der
Apfel ihrer Augen, dem eine große Zusammenziehbarkeit verlie-
hen war, schien sich dann zu entfalten und entfernte das Blau der
Iris, die nur noch einen zarten Kreis bildete. So vervollständigte
diese Metamorphose des Auges, welches ebenso lebhaft wie das
eines Adlers geworden war, die seltsame Gesichtsveränderung.
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