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Er warf ihn leicht hoch, um ihn, Schnauze voran, verzehren zu
können. Das gelang beim ersten Versuch nicht richtig. Also
warf er den Fisch ein zweites Mal hoch, dann ein drittes Mal,
und jetzt passte alles zusammen. Der Besucher hatte keinen
Grund wegzufliegen, denn es war ersichtlich, dass noch minde-
stens weitere dreißig dumme Fische zu seiner freien Verfügung
standen.
Aber Vera machte eine hastige Bewegung. Der Reiher stieg
senkrecht hoch und verschwand zwischen den Häusern.
»Das ist nochmal gut gegangen«, seufzte ich.
»Der Fisch war so schön rot«, murmelte Vera traurig.
»Die Fische sind nicht mein Problem«, stellte ich fest.
»Mein Problem sind die Krallen an des Reihers Füßen. Er
könnte problemlos schwere Schnitte in die Teichfolie einbrin-
gen und ich würde mich morgen früh sehr wundern über
Kröten, die traurig aussehen, und Fische, die kein Wasser mehr
haben und im Modder verreckt sind.«
»Daran habe ich gar nicht gedacht«, gab sie sachlich zu.
Clarissa trat aus dem Wohnzimmer und sah verwegen aus.
Sie trug ein rosafarbenes Oberteil, das etwa zwanzig Zentime-
ter zu kurz war und einen wunderbar gebräunten Bauch
freiließ, der nach unten hin mit einer Jeans bedeckt war, die
mein Vater Arschbetrüger genannt hätte.
»Chic!«, lobte Vera. »Nur zu kühl.«
Meine Tochter erwiderte obenhin: »Macht nichts, ich will,
dass Sommer ist. Väterchen, ich bin mit Tante Anni verabredet,
wir wollen spazieren gehen. Und ich soll dich von deiner frü-
heren Frau grüßen, die sehr beunruhigt darüber ist, dass ich die
Eifel gut finde und meinen Vater auch. Im Ernst, sie hat gesagt,
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ich würde schon noch herausfinden, dass deine Versprechun-
gen nichts taugen.«
»Alles wie gehabt«, sagte ich. »Bestell deiner Mutter schöne
Grüße von mir und lass sie einfach in ihrem Urteil verharren.
Das werden wir zwei nicht mehr ändern.«
Clarissa zögerte, dann sagte sie: »Es heißt, dass du viele Ver-
sprechungen gemacht hast, die du nicht eingehalten hast.«
»Das ist wohl richtig«, nickte ich. »Süchtige sind so, Suff-
köppe erst recht. Wir wissen, dass wir täglich versagen, und
können doch nichts dagegen machen. Wir sind krank. Und
irgendwann werden die, mit denen wir leben, auch krank. Das
ist unvermeidlich.«
»Bin ich also auch krank?«
»Das ist die Frage, wie du mit mir umgehst. Du musst nicht
krank werden, du kannst begreifen, was mit mir los war und
mit dir. Du hast alle Chancen, ein ganz normales Leben zu
leben. Jedenfalls hoffe ich das.«
»Manchmal, nachts, denke ich, dass du uns loswerden muss-
test, um gesund werden zu können.« Sie knabberte an ihrer
Unterlippe und sie sah sehr hübsch aus.
»Ein höchst unangenehmer Gedanke«, gab ich zu. »Aber er
ist richtig. Ich musste gehen, um mich selbst zu finden. Und die
Tatsache, dich zurücklassen zu müssen, hat mich viele tausend
Nächte gekostet. Ich habe geheult wie ein Schlosshund, aber es
gab keinen anderen Weg.«
Dann fragte ich mich verwirrt, ob ich es zu weit getrieben
hatte. Clarissa stand vor uns und weinte lautlos. Und in Veras
Augen standen ebenfalls Tränen.
»Himmel, Arsch und Zwirn«, schnauzte ich. »Werdet endlich
erwachsen!«
Ich stapfte an den Frauen vorbei ins Haus und war froh, dass
ich mir selbst ausweichen konnte.
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Unter der Dusche ließ ich eiskaltes Wasser über meinen Kör-
per laufen und verfluchte diesen Fall, weil er so große
Schwächen bloßlegte bei anderen, aber auch bei mir. Dann
drehte ich das Wasser ein wenig wärmer, um mein Bibbern zu
verscheuchen.
Als Vera ins Bad kam und sich wie selbstverständlich zu mir
unter die Wasserstrahlen stellte, erinnerte ich mich daran, dass
wir schon einmal ein paar Stunden nach unserem Kennen-
lernen so unter einer Dusche gestanden hatten. Damals war
etwas ganz Neues, etwas Großes geboren worden. Bis sie eines
Tages gegangen war.
»Du nimmst mir mein Wasser weg«, sagte ich.
»Es reicht für zwei«, lachte sie. »Kannst du dich an damals
erinnern? Mein Gott, waren wir verrückt.«
»Na ja, wir hatten es verdient«, sagte ich. »Etwas wärmer,
bitte, ich bin ein alter Mann, ich habe keine Temperatur mehr.«
»Der Meinung bin ich nicht«, gluckste sie. »Und mir bitte ein
Handtuch, ich will eine Erklärung abgeben, damit du hinterher
nicht sagen kannst, du hättest es nicht gewusst.«
»Ich hasse Erklärungen«, sagte ich und griff nach einem Ba-
detuch. »Raus damit!«
»Hast du etwas dagegen, wenn ich um dich kämpfe?«
Das erstaunte mich, denn ich dachte nicht, dass ich jemand
sei, um den zu kämpfen sich lohnte.
»Ist das dein Ernst?«
»Ja«, nickte sie und nahm mir das Badetuch ab.
»Ich werde versuchen, nichts dagegen zu haben«, sagte ich
und so etwas wie Frieden senkte sich in meine Seele.
Plötzlich war Cisco da und bellte uns an, als seien wir Ein-
brecher. Wir scheuchten ihn raus, weil er an den Handtüchern
zu zerren begann.
»Aber wenn dir wieder in den Sinn kommt, einsame Bahnen
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ziehen zu müssen, musst du es rechtzeitig mitteilen«, sagte ich.
»Das verspreche ich«, sagte sie.
»Und ich will, dass du vorsichtig mit mir umgehst, weil ich
befürchte, dass ich impotent geworden bin.«
Sie starrte mich verwundert an. »Das glaube ich nicht. Wenn
du mal die Güte hättest, südwärts zu blicken, würdest du ver-
stehen, warum meine Zweifel sehr groß sind.«
Ich blickte südwärts. »Nicht weit entfernt ist ein Bett«, stellte
ich mit trockenem Mund fest.
»Ja, das ist mir bekannt«, sagte sie.
Wir benahmen uns nicht gerade wie Kunstturner, aber wir
hatten das Gefühl, allein für uns da zu sein und das Glück ein
wenig in uns einzuschließen.
»Es war so ein langer Weg«, sagte sie.
»Ja. Jetzt sind wir angekommen.«
Irgendwann musste ich den Sündenpfuhl verlassen, mein Ter-
min mit Gerd Salm nahte. Ich hoffte, dass kein Regen fiel.
Aber draußen hatte sich die Sonne durchgekämpft und viel-
leicht würde es im Gras vor Amor-Busch ganz behaglich sein.
Behaglich für Dinge, über die Gerd niemals geredet hatte, von
denen ich aber überzeugt war, dass es sie gab.
Ich nahm in Hildenstein den Feldweg, der von der Bundes-
straße abzweigte und den ich zum ersten Mal gefahren war, als
sie Annegret gerade gefunden hatten.
Vater und Sohn waren schon da, saßen im Gras vor dem
Busch und starrten hinunter auf die Stadt.
»War Kriminalrat Kischkewitz zu ertragen?«, fragte ich.
»Er war sehr freundlich«, sagte Gerd. »Ich glaube, er hat ver-
standen, warum ich das mit Annegret nicht gleich gesagt
habe.«
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»Du warst oft hier oben, nicht wahr?«
»Ja, und es war immer sehr schön«, antwortete er. Dann
schluckte er hart und ich befürchtete, dass er dichtmachen
könnte. Aber sein Gesicht entspannte sich wieder.
»Habt ihr die Softpornos hier oben geguckt?«
»Ja, klar. Wenn wir ein Gerät hatten, in dem die Batterien
okay waren. Das mit den Batterien war immer blöde, weil sie
so schnell verbraucht waren. Mit Akkus ging es besser. Ir-
gendwann hatte Kevin mal die Idee, ein Verlängerungskabel
bis runter zu Annegrets Haus zu legen, damit wir Strom hatten.
Aber Annegret sagte, das könnten wir ihrer Mutter nicht antun.
Die würde uns bestimmt die Strippe rausziehen.« Gerd lachte
behaglich, anscheinend war es eine gute Erinnerung.
»Die Mutter von Annegret stand da unten hinterm Schlaf-
zimmerfenster und hatte das Fernglas vor den Augen?«
»Korrekt«, nickte er. »Das hat uns aber nicht gestört. Na ja,
immerhin wussten wir dann auch, wo sie war.«
»Habt ihr mal über Toni Burscheid gesprochen?«
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